Gedanken zur maritimen adriatischen Tradition

Der Festakt zur Ratifizierung der Partnerschaftsurkunden zwischen dem Österreichischen und dem Kroatischen Marineverband am heutigen Nationalfeiertag in der Wiener Hofburg darf als Symbol der Verbundenheit verstanden werden, die sich einerseits aus langen historischen Wurzeln und andererseits aus einem Zukunftsaspekt ergibt, wird doch auch durch die Republik Kroatien der Beitritt zur Gemeinschaft der Europäischen Union angestrebt und gerade dieser Schritt von Österreich unterstützt. Österreich ist selbst seit der ersten Erweiterungsrunde vor acht Jahren Mitglied der Europäischen Union und aus dieser Mitgliedschaft ergibt sich ein maritimes Interesse unseres Landes. Zwar muß die Republik Österreich bei Betrachtung ihrer seit 1918 gegebenen staatlichen Grenzen als eines der wenigen "echten" Kontinentalländer eingestuft werden, die hier in Europa über keinen direkten Zugang zum Meer verfügt. Aber mit dem Beitritt zur Europäischen Union und der immer weiter fortschreitenden Integration in diesen komplexen Verbund hat Österreich nun weite "gemeinsame" Küsten und damit Zugang zum Meer, ja umfassende maritime Interessen. So darf auf den umfangreichen Export unserer Wirtschaft nach "Übersee" verwiesen werden, der vorwiegend über die Häfen Hamburg, Bremerhaven und Rotterdam abgewickelt wird, aber auch in einem erheblichen Ausmaß über Häfen an der Adria getätigt wird. Die Adria ist in diesem Sinne nach wie vor das "Tor zur Welt" für Österreich und seine exportorientierten Wirtschaftszweige.

Aber Österreich hat sich auch klar zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) bekannt und ist nachdrücklich für eine Vertiefung derselben in Richtung einer gemeinsamen Verteidigung mit Beistandsverpflichtung ein- getreten. Dabei geht aus den Zielsetzungen dieser ESVP und dem Aufbau einer unter europäischem Kommando einsetzbaren militärischen Kräftegruppierung im Sinne der Beschlüße von Helsinki Ende 1999 klar hervor, dass nicht nur innerhalb dieser Strukturen maritime Komponenten eingebracht sind und mit zunehmender Wahrscheinlichkeit auch bei Einsätzen dieser Kräfte der Seeweg für Transport und Logistik eine nicht unwesentliche Rolle spielen wird. Daher ist für Österreichs Beitrag zu diesen Kräften und die zur Entscheidung befugten politischen und militärischen Repräsentanten auch eine ausreichende Kenntnis maritimer Gegebenheiten und Rahmenbedingungen unerläßlich. Die Zusammenarbeit mit Partnern mit maritimer Kapazität und maritimer Erfahrung wird daher einen besonderen Stellenwert einnehmen und die geografische Nähe Österreichs zur Adria mag als Hinweis verstanden werden, bei welchen Partnern dies zu finden sein wird.

Die gestern und heute auf dem Heldenplatz gezeigte internationale Marineausstellung, die in Zusammenarbeit des Österreichischen und des Kroatischen Marineverbandes organisiert wurde, zeigt aber auch in traditionellen Beziehungen Österreichs und seiner Bevölkerung zum Meer und im Besonderen eben zur Adria. Hier gibt es eine über rund 200 Jahre zurückreichende Tradition aus rund 110 Jahren gemeinsamer politischer Geschichte gefolgt von rund 80 Jahren leidvoller Bemühungen um die Gestaltung einer gerechten und für alle Beteiligten eigenständig entwickelten Lebens- und Staatsform, die nun weitgehend gefunden scheint und hoffentlich für lange Zeiten ein friedliches und von gegenseitiger Achtung getragenes Zusammenleben zum gemeinsamen Nutzen ermöglichen wird. Aber es gibt für die "binnenländischen" Österreicher ja auch eine sehr emotionale Komponente. So entwickelte sich ab der Eröffnung des Suezkanals 1869 und der Wiener Weltausstellung 1873 zunächst für die gehobenen Kreise der Monarchie ein Interesse am Orient, an Adria, Levante und der exotischen Ferne. Und aus diesem für Wissenschaft, Wirtschaft und Tourismus so progressiven Gefühl, dieser verborgenen Sehnsucht nach der Ferne entstand etwa ab 1900 auch im sogenannten gehobenen Bürgertum der Trend zum Urlaub im Süden, und das war neben Meran und Südtirol eben die adriatische Küste der Monarchie. Der große Erfolg der vom österreichischen Flottenverein veranstalteten "Adria-Ausstellung" in der Rotunde im Wiener Prater im Jahre 1913 kam eben nicht von ungefährt.

Und schließlich wurde die Adriatische Küste in den Jahren nach 1950 der "Urlaubstraum" zahlloser Österreicher, der für die Ostküste der Adria durch die schmerzlichen Ereignisse von 1991 abrupt unterbrochen, dann aber durch ein wenig schnulzig-romantische Fernsehserien als "Traum" erhalten und inzwischen doch wieder für mehr und mehr Österreicher zur Wirklichkeit wurde und damit auch als nicht unerheblicher Faktor zum wirtschaftlichen Aufschwung der Küstenregion beträgt. Und die Zahl jener Österreicher ist hoch, die als "Hobbykapitäne" die landschaftlich so unverwechselbaren dalmatinischen Inselgruppen und zauberhaft-romantischen Küstenorte besuchen, einen "Turn" als Skipper einer gemieteten Jacht absolvieren oder gar an einer der schön gelegenen und gut ausgestatteten Marinas ein eigenes Boot auch für den Trip am verlängerten Wochenende vertäut haben. Die Adria ist uns jedenfalls nahe und nach wie vor das Ziel vieler Träume und Sehnsüchte..

Und es gibt eine - wenn auch kleine - österreichische Handelsflotte. Waren 1981 nur 13 Handelsschiffe unter österreichischer Flagge in Fahrt, so waren es im März 2000 immerhin 23. Nicht gerechnet sind dabei jene rund 70 Schiffe, die seit 1964 von österreichischen Reedereien unter anderer Flagge betrieben werden. Jedenfalls befindet sich Österreich damit zwischen Platz 70 und 80 in der Rangliste der seefahrenden Nationen. Dabei gab es in der Zeit nach der 1833 erfolgten Gründung des "Österreichischen LLoyd Triest" bis 1918 immerhin 12 Reedereien mit Sitz an der Küste der österreichischen Reichshälfte und 4 Reedereien an der zur ungarischen Reichshälfte gehörenden Küste. Die eine oder andere heute noch auf See vorzufindende Schornstein- marke geht in ihrem Ursprung auf eine dieser Reedereien der k.u.k.Zeit zurück und der "Lloyd Triestino" mit seinen 15 eigenen und 17 gecharterten Handelsschiffen und einem weltweiten Liniennetz versteht sich bist heute als Traditionsträger des ehemaligen "Österreichischen Lloyd" und der von ihm befahrenen Linien.

Und schließlich gibt es auch die Tradition der k.k und ab .dem 11. April 1889 dann k.u.k Kriegsmarine. Das war ja keine österreichische und keine ungarische Marine, sondern eben eine "kaiserliche" und "königliche" und zutiefst der Person des Monarchen verbunden. Schon früh hatte die Dynastie der Habsburger über Triest, das sich 1382 diesem Fürstenhaus in einem Konflikt mit Venedig schutzsuchend anvertraut hat, Zugang zum Meer erhalten. Aber erst unter Kaiser Karl VI. und nach der Einbeziehung des Königreiches Neapel und Sizilien wurde ein ernsthafter Versuch zum Aufbau ozeanischen Handels und des dazu erforderlichen Schutzes durch eine in Triest und Neapel gebaute Flotte unternommen, der von den damaligen großen Seemächten höchst kritisch beobachtet wurde. Im Interesse der "Pragmatischen Sanktion" wurden dann mit dem Verlust Neapels ab 1736 die Bemühungen um habsburgische maritime Geltung beendet. Aus der nun nicht mehr gebrauchten Flotte versank im Jahre 1738 im Hafen von Triest das von Ratten und Bohrwürmern zerfressene Linienschiff "San Carlo" lautlos, sozusagen als ein trauriges Symbol vergeblicher Hoffnungen.

Erst im Oktober 1797 wurde dem Hause Habsburg als Ausgleich für den Verlust von Mailand und der habsburgischen Niederlande die Lagunenstadt Venedig mit all ihren Territorien im Frieden von Campo Formio zugesprochen. Die Dynastie begann sich nun aus dem Westen Europas zurückzuziehen und ihre Interessen im Süosten und Süden zu verfolgen. Der neugewonnene, erhebliche Anteil an den adriatischen Küstenregionen war dafür ein wichtiger Faktor. Auf dem Wiener Kongreß wurde 1815 dieser Besitzzuwachs bestätigt und der Aufbau einer Flotte betrieben, die für die nächsten Jahrzehnte nur als venezianisch-dalmatinische Flotte bezeichnet werden kann. Die Einsetzung des jungen Erzherzog Friedrich als Flottenkommandant in jenen Jahren war ein Zeichen des zunehmenden Interesses des Erzhauses an den maritimen Angelegenheiten, aber der frühe Tod des Erzherzogs 1847 verhinderte weitreichendere Erfolge. In dieser Verlegenheit des Jahres 1847 wurde der widerstrebende, damalige Kommandant der Militärakademie in Wiener Neustadt mit kaiserlichem Dekret zum Vizeadmiral und neuen Marinekommandanten ernannt, eine für den Armeegeneral zwar ehrenvolle aber letztlich unter den gegebenen Umständen unbewältigbare Aufgabe.

Nach den unseligen Wirren um Venedig der Jahre 1848 und 1849 wurde 1850 schließlich der Entschluß gefaßt den kleinen Hafen von Pola im südlichen Teil der Halbinsel Istrien zum Hauptstützpunkt der k.k. Kriegsmarine auszubauen. Nachdem 1866 dann Venedig auch territorial abgetreten werden mußte, wurde nach dem Ausgleich mit Ungarn der Aufbau einer Flotte in der Adria eher zögernd und unter budgetären Restriktionen vorangetrieben. Und der Dienst vor allem als Marineoffizier lockte Aspiranten aus allen Teilen der Monarchie, so dass neben den traditionell dem Meer verbundenen kroatisch-dalmatinischen Seeoffizieren in besonders hoher Anzahl auch Bewerber aus dem deutschsprachigen Teil der Monarchie diese Laufbahn ergriffen. Das mag als Ausdruck der bereits angesprochenen Sehnsucht nach dem Meer, der Ferne und der Freude an einem Dienste in dieser außergewöhnlichen Küstenregion verstanden werden.Und es entwickelte sich bei den Seeoffizieren und in der ganzen Marine ein besonderes Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Verbundenheit mit dem Herrscherhaus, das ein besonders ausgeprägtes Markenzeichen des "kaiserlichen und königlichen" Flotte gelten darf. Aber lange Zeit gab es in dem kontinental orientierten und nach ihrem Hauptstrom ja auch "Donaumonarchie" genannten Habsbugerreich wenig Verständnis bei den militärischen Spitzen für die Belange der Marine, ihren strategischen Wert und ihre operativen Möglichkeiten und damit auch für ihre materiellen Erfordernisse.

Selbst Conrad von Hötzendorf stand der Marine indifferent gegenüber und es blieb dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand vorbehalten für die Marine einzutreten. Und so entwickelte die Marine im letzten Jahrzehnt ihres Bestandes eine außergewöhnliche Initiative in der Einführung des Funkverkehrs, des Flugzeugs als Mittel der Seekrieg- führung (ab 1910) und in einem Flottenausbauprogramm für Schlachtschiffe, Rapidkreuzer, Zerstörer und Torpedoboote, das für k.u.k. Verhältnisse als einmalige Sonderleistung an Innovation angesehen werden muß. Aber hier zeigten sich die Aufgeschlossenheit der Marine, ihre maritim bedingte Weltoffenheit und ihr technisches Verständnis. Nur bei den U-Booten konnte man sich offensichtlich nur bedingt mit der Notwendigkeit eines rascheren Aufbaus anfreunden. Der Bau der 4 Schlachtschiffe der "Viribus Unitis"-Klasse erstaunte jedenfalls die übrigen Seemächte, allen voran Großbritannien und Frankreich. Für den Küstenschutz und die Sicherung der adriatischen Seeverbindungen wären sicherlich andere, kleinere Schiffs-Typen ausreichend gewesen und es fehlen aus meiner Sicht brauchbare Hinweise auf die hinter diesem Bauprogramm stehenden tatsächlichen strategischen und operativen Überlegungen. Nun kann man dies als Beitrag zu einer gemeinsamen italienisch-habsburgischen Seekriegführung im Sinne des bestehenden Bündnissses ,interpretieren, aber dem steht das bekannte Mißtrauen gegenüber dem Bündnispartner Italien entgegen und wer sich mit den Erinnerungen Conrads von Hötzendorf beschäftigt, wird vermutlich das Gefühl nicht los, dass hier eben zwischen der Führung der Marine und der Flotte auf der einen Seite und dem Generalstab und dem Heer auf der anderen Seite eine tiefe Kluft bestand und keine Koordinierung oder Abstimmung auf oberster Führungsebene erfolgte. Vielleicht hat auch das Fehlen eines k.u.k. Admiralstabes und entsprechend ausgebildeter Offiziere dazu beigetragen, aber der Bau dieser 4 Großkampfschiffe wurde vor allem von Großbritannien skeptisch beobachtet und lange über den operativ-strategischen Hintergrund gerätselt. Diese Maßnahme der k.u.k. Marine hat jedenfalls die Vereinbarungen zwischen der britischen und französischen Marineführung hinichtlich einer zukünftigen Seekriegführung und operativen Aufgabenteilung nicht unerheblich beeinflußt.

Das Ende des ersten Weltkrieges 1918 führte 1919 zur Verteilung der größeren Flottenein- heiten, der Zerstreuung des Seeoffizierskorps in alle Nachfolgestaaten der früheren Monarchie und dem Königreich Jugoslawien blieben nur wenige Torpedoboote und kleine Einheiten. Geblieben aber ist eine nostalgische Erinnerung an diese Flotte und ihren kameradschaftlichen - verbindlichen Geist.

Heute, ziemlich genau 85 Jahre danach, pflegen im österreichischen Bundesheer die Pioniere die Tradition der k.u.k. Marine und die Grußbotschaft des Bundesminister Platter zum heutigen Anlaß unterstreicht diese erfreuliche Entwicklung. Und der Österreichische Marineverband versteht sich als Mittler zwischen dem Gestern , dem Heute und dem Morgen. Diese Rolle übernimmt der ÖMV über die nationalen und zunehmend verblassenden Grenzen hinweg im Bemühen um gegenseitige Akzeptanz einer gemeinsamen Vergangenheit und um Verständnis für eine gemeinsame Zukunft, in der auch die maritimen Belange im Bewußtsein möglichst breiter Kreise hoffentlich den gebührenden Platz finden.

In diesem Sinne darf auch die Ratifizierung des Partnerschaftsabkommens zwischen dem Österreichischen und Kroatischen Marineverband als wesentlicher Beitrag zur Erreichung dieser Ziele und als ein Schritt verstanden werden, der Österreich zumindest indirekt dem Adriatischen Meer und seinen dort lebenden und mit dem Meer verbundenen Freunden wieder näher bringt.

Ich wünsche dieser Partnerschaft für die gemeinsame Zukunft alles Gute und "immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel".

Horst Pleiner, Gen iR

Partnerschaftsurkunde (pdf-Datei - 909 kB)