Für die Anreise nach Pula (Pola) haben wir die Route über Varaždin und das kroatische Nationalheiligtum Marija Bistrica gewählt, um dort der Familie Hellenbach einen Besuch abzustatten (deren Schloß ist öffentlich nicht zugänglich). Die Barone Hellenbach von Paczolay waren traditionell die Patronatsherren von Marija Bistrica gewesen und haben dementsprechend auch dort ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die bedeutendste Persönlichkeit dieser Familie war sicher Lazar Hellenbach gewesen, philosophischer und politischer Schriftsteller sowie Abgeordneter zum Herrenhaus des Reichstages, der jedoch nach dem „Ausgleich“ von 1867 politisch resigniert hat. Obwohl es sich um einen reinen Privatbesuch gehandelt hat, mag er hier dennoch Erwähnung finden, ist doch Lazars Enkel, Zdenko Hellenbach (Helenbah), der Letzte dieses Namens im Mannesstamm, ein k.u.k. Marineoffizier (bzw. später Offizier in der kroatischen Marine) gewesen, der Zeit seines Lebens seine traditionellen Werte hochhielt und jedes Jahr am 18. August seine beste Uniform anlegte und – auch unter der Tito-Herrschaft und von dieser unbehelligt – das Schloss beflaggte.
Sodann fuhren wir über Rijeka (Fiume), den seinerzeitigen Hafen der ungarischen
Reichshälfte, nach Opatija (Abbazia), wo teilweise noch, nicht nur in der
Architektur der Villen, k.u.k. Flair herrscht – so ist z.B. die Promenade nach
Kaiser Franz Joseph I. benannt. Die Einfahrt in Pula (Pola) war enttäuschend:
nichts als Plattenbauten. Aber schnell hat sich diese Bild geändert, sobald wir
in die Innenstadt gelangten. Unsere Unterkunft bezogen wir, einer Empfehlung von
Oberst dhmtD Skrivanek folgend, im Hotel Riviera. Wenn sich das ca. 1905 errichtete
Gebäude auch heute als stark abgewohnt präsentiert, so atmete es in der
Großzügigkeit seiner Anlage doch den Glanz der Donaumonarchie, und unser
Aufenthalt dort – mit direktem Blick auf die „Arena“, der Hauptsehenswürdigkeit
von Pula (Pola) – war überaus angenehm.
Anders als bei der Marinereise der Offiziersgesellschaft NÖ I an die Obere Adria im Jahre 2008, über die ein Bericht im WWW verfügbar ist, standen bei uns speziell die k.u.k. Seeflieger in diesem Raum im Vordergrund. Daher haben wir – vom Kastell (mit Mini-Museum) abgesehen – die zahlreichen Reste von Fortifikationsanlagen unberücksichtigt gelassenen; allerdings haben wir uns Höhepunkte wie das Marinekasino, die Marinekirche und den Marinefriedhof keineswegs entgehen lassen und, sozusagen en passant, auch das antike sowie das venezianische Erbe der Stadt registriert.
Das 1913 erbaute ehemalige „neue“ Marinekasino (heute „Dom hrvatskih branitelja“
= „Haus des Kroatischen Heimatschutzes“) beherbergt auch die seinerzeitige k.u.k.
Marine-Bibliothek, deren Direktor, Bruno Dobrić, zwar urlaubsbedingt abwesend
war, uns aber in der Person von Josip Vrenetar, teilweise unterstützt durch
Marijan Župan, einen ganz ausgezeichnete Fachmann für die Belange der k.u.k.
Marine sowie der Stadtgeschichte von Pula vermittelt hat. Das Marinekasino ist
ein gewaltiger Bau, der die damalige Macht Österreich-Ungarns eindrucksvoll
widerspiegelt. Die Großzügigkeit der Raumanlage der Eingangshalle mit ihren
Marmorsäulen, des großen Tanzsaales (in dem seinerzeit u.a. Franz Lehár
dirigiert hat) und anderer Säle sowie weiter Räumlichkeiten ist mehr als
beeindruckend. In dem Gebäude ist auch die Vereinigung „Viribus unitis“ (unter
dem Präsidium von Bruno Dobrić) untergebracht, welche die Tradition der k.u.k.
Marine hochhält, sowie das „Café Mozart“. Auf dem Monte Zaro nahe dem
Marinekasinogebäude befand sich einst das Hydrographische Amt bzw. die
Marine-Sternwarte, aus der bedeutende wissenschaftliche Leistungen hervorgingen
(vgl. „Jahrbuch der meteorologischen und erdmagnetischen Beobachtungen“ [Pola
1897-1915]); was der Zweite Weltkrieg von dem Gebäude übrig gelassen hat,
konnten wir besichtigen (heute ein Museum).
In der überaus beeindruckenden Marinebibliothek haben wir u.a. Publikationen (in den „Mittheilungen aus dem Gebiete des Seewesens“, Jg. 1913) von Josef Mickl, damals zunächst Einjährig-Freiwilliger in Pola, sehen können, die sich mit der Berechnung der hydrodynamischen Verhältnisse am Bootskörper von Flugbooten befassen; Mickls erstes Wasserflugzeug war im Seearsenal gebaut worden und später war Mickl – in Konstruktionsgemeinschaft mit Igo Etrich und Karl Paulal – beim Entwurf der überaus erfolgreichen Lohner-Flugboote federführend; er leitete das Konstruktionsbüro des Seefliegerkorps. (Nach dem Krieg blieb Mickl zunächst der Marine treu, als technischer Offizier im Kriegsministerium des Königreichs Jugoslawien; als technischer Direktor der Ikarus AB baute er 150 Flugzeuge. Später ging er zu Porsche, wo er als Aerodynamiker für die Karosserieentwicklung der Auto-Union-Rennwagen und auch des VW verantwortlich war.)
Die Ausdehnung des (uns leider nicht zugänglich gewesenen) Arsenals ist
gigantisch; zahlreiche Gebäude in der Stadt lassen erkennen, daß sie einst k.u.k.
Kasernen gewesen sind, waren doch in der Garnison Pola in den Jahren vor dem
Ersten Weltkrieg mehrere tausend Militärpersonen stationiert. Wir haben auch die
damalige Residenz des k.u.k. Admirals sehen können; ganz in dessen Nähe befindet
sich eine Gedenktafel für die Dichterin Paula von Preradović. Auch die Villa des
Admirals Nikolaus von Horthy, des späteren ungarischen Reichsverwesers, sowie
die des KKpt Georg Ritter von Trapp haben wir (freilich ebenfalls nur von außen)
gesehen.
Die Besichtigung der „Marinekirche“ Madonna del Mare (Gospe od Mora) mit ihren diversen Gedenktafeln sowie der Krypta, in der wir durch das freundliche Entgegenkommen des Pfarrers den Sarkophag des Admirals Sterneck – mit vollem Namen Maximilian Daublebsky Freiherr von Sterneck zu Ehrenstein – der für den Ausbau des Kriegshafens Pula zentralen (und leider viel zu wenig gewürdigten) Persönlichkeit, haben sehen können, war ebenso ein „Muß“ wie der Besuch des Marinefriedhofs, wo zwölf österreichisch-ungarische Admirale und ein türkischer beigesetzt sind, ferner die Opfer des Untergangs der „Baron Gautsch“ und der Besatzungen der „Szent Istvan“ und der „Viribus Unitis“, sowie (aus dem Zweiten Weltkrieg) etwa dreihundert italienische und deutsche Soldaten; es finden sich christliche, islamische und jüdische Grabstätten friedlich vereint. Weiters ist der Friedhof die Ruhestätte von Angehörigen berühmter Familien, so ist der Vater des LSchLt Gottfried von Banfield, des „Adlers von Triest“ (den ich noch persönlich habe kennenlernen dürfen), dort begraben wie auch Mitglieder der Familie von Trapp. Auch von den k.u.k. Seefliegern haben wir zumindest eine Grabstätte sehen können (Feldpilot LSchLt Fontaine von Felsenburg, 1918 bei Cosada ins Meer gestürzt).
Das Kommando der k.u.k. Seeflieger (Seeflugleitung, später Kdo des
Seefliegerkorps) befand sich auf der kleinen „Halbinsel“ Monumenti, während seit
ca. 1912 auf der vorgelagerten, später durch Aufschüttung vergrößerten und
schließlich 1918 durch eine Brücke mit Monumenti verbundenen kleinen Insel
Scoglio Santa Catarina (Sveta Katarina) als Versuchsflugstation die erste
Seeflugstation eingerichtet war, die jedoch bald dem Seefliegerarsenal
(entspricht einer Fliegerwerft) mit Motorenwerkshalle, Montage- und
Prüfeinrichtungen für die Abnahme von Motoren und Flugbooten sowie weiteren
technische Einrichtungen weichen hat müssen. Die Zufahrt von der Landseite führt
durch ehemaliges, nunmehr freigegebenes militärisches Sperrgebiet der
jugoslawischen bzw. der kroatischen Marine; es handelt sich um ein weitläufiges
Areal mit mehreren Lagern, von denen nur mehr eines in Benützung zu sein
scheint; große Teile links der Straße sind mit Stacheldraht gesichert. Alle
Gebäude auf Monumenti sind verlassen und leer stehend; es handelt sich um eine
kasernenartige Anlage mit Bauteilen, die vielleicht auf älteren Fundamenten
errichtet sein mögen, jedoch sämtlich den Stil der Tito-Ära widerspiegeln.
In der Bucht von Puntisella (Puntižela) – der seinerzeitigen „Seeflugstation
Pola“ – haben wir Slipanlagen, große gepflasterte Flächen (vermutlich die Böden
der alten Hangars), Gleisanlagen und schließlich mehrere Gebäuderuinen sehen
können, wobei sich diese allerdings weder mit den Plänen im Kriegsarchiv noch
mit den alten Photos zur Deckung bringen lassen; dabei ist freilich unklar, wie
weit diese Dokumente jeweils den letzten Ausbaustand widerspiegeln. Die von den Bildern
bekannten Baulichkeiten existieren sämtlich nicht mehr. Die vorhandenen Ruinen
(ein mehrstöckiges Gebäude, vielleicht Kasino oder Kommando, eine große Halle, u.a.) zeigen in vielen architektonischen Details das Gepräge ärarischer Bauten
aus der k.u.k. Zeit, weisen aber andrerseits durchaus fremde Elemente auf, sodaß
sie sehr schwer einzuordnen sind. Möglicherweise haben die Italiener alte k.u.k.
Anlagen benutzt, verändert und erweitert. Die Gleise weisen eine Breitspur und
zwei unterschiedliche Arten von Schienen auf, vermutlich noch aus k.u.k. Zeiten
herrührend (damals waren dort auch die sehr schweren Flugboote vom „Typ G“
eingesetzt), vielleicht auch aus späterer Zeit, wobei die heute sichtbaren ins
Wasser führenden Schienen vermutlich nur die tragende Struktur der nicht mehr
vorhandenen, mit hölzernen Bohlen bedeckten Rampen darstellen, über welche die
Flugboote ins Wasser gelassen wurden, wie aus vielen zeitgenössischen Photos
hervorgeht. Trotz ihres fragmentarischen Zustandes vermitteln die Reste der vier
Slipplätze, welche unterschiedlich gut erhalten sind, durchaus eine Vorstellung,
wie es hier in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg sowie während des Krieges
ausgesehen haben mag.
In Fasana (Fažana) ist noch viel weniger erhalten; die Bucht ist total touristisch überformt. Nur an einer Stelle konnten wir eine Struktur erkennen, die eventuell eine Slipanlage gewesen sein mag, wahrscheinlich aber anderen Zwecken gedient hat.
Die Insel Cosada (Kotec), auf der sich die Flugschule der k.u.k. Marine befunden hatte, sowie die weiteren Seeflugstationen (SFSt) und Flugstützpunkte (FSP) im Raum Pula konnten wir leider nicht besuchen. Auch an einer der im Hafen von Pola angebotenen Rundfahrten speziell auf den Spuren der k.u.k. Kriegsmarine konnten wir nicht teilnehmen, weil diese Fahrten nur nach Bedarf für größere Gruppen unternommen werden; für die „allgemeine“, weiter hinaus führende Rundfahrt fehlte uns die Zeit und auch – wegen der sehr touristischen Aufmachung – die Lust.
Hingegen haben wir, zum Abschluß und zur Krönung unseres Besuchs in Istrien, von
dem kleinen Flugplatz in der Ortschaft Medulin aus einen kurzen Rundflug mit
einer Cessna 172 unternommen (www.delicair.hr)
– knapp vor Sonnenuntergang, wenn die tief stehende Sonne alles mit einem rötlichen Schein
bedeckt und die Schatten lang werden lässt. Der Blick auf Pula und die Arena war gigantisch.
Über die Bucht zu fliegen hat ein Vorstellung davon vermittelt, wie es unsere
k.u.k. Seeflieger empfunden haben mögen, zu einem Einsatz hinaus oder nachher
glücklich nach Hause zu fliegen; wenn auch die Küstenlinie der Bocche
di Cattaro noch viel zerklüfteter und die Bucht viel tiefer ist, so hat doch auch
dieser Flug sogar ahnen lassen, wie es „damals“ dort gewesen sein mag …
Am nächsten Tag haben wir die slowenische Autobahn unter die Räder genommen, haben es uns aber nicht nehmen lassen, zuvor einen kurzen Abstecher nach Triest zu machen, war denn auch dort eine der k.u.k. Seeflugstationen. Der Bahnhof – mit dem Denkmal für Kaiserin Elisabeth („Elisabetta“) in dem kleinen Park gegenüber – stammt so eindeutig wie kaum etwas anderes aus den Zeiten der Monarchie; in der Halle ist eine Gedenktafel für Carl Ritter von Ghega und eine Büste desselben angebracht: nur durch den Ausbau der Semmeringstrecke war ja die Südbahn zu einer leistungsfähigen Anbindung des Handelshafens Triest an den Zentralraum geworden. (Übrigens war Ghega bekanntlich der Sohn eines Marineoffiziers.) Die Prachtbauten entlang des Hafens bzw. in der Nähe, so der von Heinrich Ritter von Ferstel erbaute Palast des Lloyd Triestino, haben uns beeindruckt. Freilich, für einen Besuch des alten Lloydhafens, wo sich im Lloyd-Arsenal die Seeflugstation befunden hat, war, zugegebenermaßen durch eine Pause mit gelato italiano verzögert, leider keine Zeit mehr, so mußten wir – sit venia verbo – das Gefecht abbrechen und uns mit einem Blick auf das ehemalige Lloydareal aus einer gewissen Entfernung begnügen. Dann ging’s in einer Tour zurück. Knapp vor Mitternacht waren wieder in Wien – müde und glücklich.
Oberst Prof. Peter Mulacz